Freitag, 27. März 2020
Warum ist Italien so schrecklich betroffen?
Einfache, und leider nicht völlig unberechtigte Antwort:

https://www.businessinsider.com/italy-provinces-aggressive-coronavirus-response-leads-to-fewer-cases-2020-3?r=DE&IR=T

Warum also? Weil die meisten Regionen (besonders katastrophal: Lombardei) die Empfehlungen der WHO nicht umgesetzt haben. Ganz anders, als es wirre, wissenschaftsferne Verschwörungsclowns behaupten, ist die WHO enorm kompetent. Ihre Empfehlungen sind jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Niveau.

(und natürlich gibt es in frühen Stadien einer Entdeckung einer Krankheit zahlreiche Wissenslücken, auch bei der WHO, die dann von den Deppen ausgenutzt werden, um hinterher herumzulügen, sie hätte alles von Beginn an besser gewusst)

Unsere geringeren Sterbezahlen in Deutschland haben nicht zu knapp genau damit zu tun, dass wir die WHO-Empfehlungen weitgehend umzusetzen versucht haben.

Also nicht zu knapp: testen, tracing, isolieren.

Es gibt übrigens noch so einen Trottel, der den Verstoß gegen WHO-Empfehlungen für eine unfassbar brillante Idee hält:

Trump.

Wie sich das gerade entwickelt, das kann man sich in den USA gerade angucken. Schön ist das nicht. Und es wird auch nicht schöner.

Weitere bedeutende Faktoren - Vergleich Italien-Deutschland:
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1) Pech

Schieres Pech. In Italien lief die Epidemie viele Wochen lang unerkannt herum, während wir in Deutschland über den Webasto-Fall eine Art "Frühwarnung" erhielten. Diesen Vorsprung verdanken wir letztlich einer Seminarleiterin aus China, die von selbst auf die Idee kam, dass da ein Problem vorliegen könnte.

Während also bei uns ein massives Testen, Tracen und Isolieren anlief, marschierte die Epidemie in Norditalien unerkannt in einen "community spread".

Dazu kam gleich auch das zweite größere Pech, nämlich, dass in Italien von Anfang an Seniorenheime und Krankenhäuser (bzw. das Personal dort) betroffen waren, womit sich dann automatisch hohe Sterblichkeiten ergeben.

2) Statistisch lässt sich problemlos beweisen, dass in Italien die Hochrisikogruppen (über 70 Jahre) sogar um den Faktor 4 gegenüber den Verhältnissen in anderen Ländern überproportional betroffen waren. Umgekehrt waren diese Altergruppen in Deutschland unterproportional betroffen. Viele Fälle in Deutschland (ca. 10 Prozent des Erkrankungsgeschehens) gingen auf Einschleppungen junger, hochmobiler Urlauber (z.B. aus Skigebieten) zurück. Demnach konzentrierte sich das Infektionsgeschehen bei uns auf jüngere Bevökerungschichten, also dort, wo das Virus weniger Schaden anrichtet.

3) Italien ist in Sachen Intensivmedizin deutlich schlechter ausgerüstet als Deutschland. Mit landesweit gerade einmal rund 6.000 ICU-Betten beginnt in Italien bereits dann die Triage, wenn eigentlich "nur" einige tausend Beatmungsfälle parallel laufen.

So etwas treibt die Sterbeziffern gewaltig nach oben.

4) Auch beim Testen hat man sich in Italien nicht an die WHO-Empfehlungen gehalten. Man testeste teils über die italienischen Amtsärzte extrem viele Sterbefälle (was dann die Statistik hochtreibt), aber auf Infektionsketten hin (wie in Deutschland) hat man dort kaum getestet, und pro Infektionsfall gibt es in Italien nur rund 1/10 (das ist sehr wenig) Isolationen. In Deutschland ist das Verhältnis genau umgekehrt.

5) Während in Italien vor allem Schwerkranke getestet werden (die dort unangenehm zahlreich wurden), wurden in Deutschland vor allem gemäß RKI-Vorgaben Infektionsketten getestet. Insofern waren unsere Getesteten automatisch jünger und letztlich gesünder, mit weniger Sterbefälle im Gefolge.

6) All dies ist nur ein Zwischenstand. Der große Hammer kommt für Deutschland noch, während Italien das epidemiologische Geschehen inzwischen halbwegs eingedämmt bekommt. Der Fallzuwachs liegt in Italien inzwischen stabil bei unter 10 Prozent pro Tag, während Deutschland noch bei über 15 Prozent pro Tag liegt. Bei uns bremst sich die Epidemie nach dem Shutdown allmählich aus, aber Italien hat mit den gravierenden Maßnahmen früher begonnen.

Moral von der Geschichte:

Man höre tunlichst auf die Empfehlungen der WHO!

Das haben wir übrigens auch nicht überall getan. Beispielsweise haben wir den Flugreiseverkehr nicht so behandelt, wie dies von der WHO empfohlen wurde.

Siehe:
https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/232135/WER7814_97-99.PDF
https://www.who.int/csr/ihr/guide.pdf

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