Sonntag, 5. April 2020
Historische Zeiten - Kurzessay
Für Historiker wird diese Pandemie eine harte Nuss werden. Die USA werden zur Zeit von sehr reichen Menschen regiert, deren erste Sorge nicht unbedingt die Anzahl der eigenen Beschäftigten ist. Gewisse Einbrüche werden hier mitunter sogar wohlwollend betrachtet. Deren erste Sorge ist eher der Stand des Dow-Jones-Index, und noch wichtiger, die Füllhöhe des eigenen Geldspeichers. Eventuell auch noch die Anzahl der Follower in Facebook.

Insofern, als Folge eines insgesamt tragisch unzureichenden Pandemiemanagements, wandert New York in diesem Augenblick in die Katastrophe, einige Wochen später dann das gesamte Land, während das angeblich protosozialistische Berlin (aka: "failed state Berlin") sich vergleichsweise gut macht. New York würde schon jetzt mit Berlin tauschen wollen. Berlin wird sich auch gut machen im Vergleich zum "Landkreis Miesbach", der von einem eher unbekannten Seuchenhistoriker namens "Don Alphonso" als idealer Zufluchtsort erwählt wurde.

Nur, das Virus kümmert sich anscheinend nicht um solche Urteile. Es folgt etwas weniger den Vorurteilen und Wünschen der Menschen und etwas stärker ihren Bewegungs- und Kontaktmustern.

Man hört es in seiner Tätigkeit beinahe lachen und kapitalismuskritische Bemerkungen machen, wenn es sich etwas gesteigert bei wohlhabenderen, mobileren und reisefreudigeren Bevölkerungsschichten bedient, um am Ende dann aber besonders jene zu bestrafen, welche arm sind oder gar zu den ärmsten unserer Gesellschaft gerechnet werden müssen.

Junge Journalisten oder Künstler beispielsweise. Die bleiben vielleicht gesund, verlieren in der Epidemie aber beinahe alles. Ihren Job, ihr Publikum und auf lange Sicht vielleicht sogar die Fähigkeit, sich eine Wohnung leisten zu können. Man könnte eventuell von ausgleichender Ungerechtigkeit sprechen. Auch unsere einheimischen Vermieter werden sich umgucken müssen, und im Fall einer Kreditfinanzierung sogar sehr. Aber das alles sind beinahe noch kleine Sorgen. Viele von uns können sechs Wochen Lockdown noch relativ gut erdulden.

Nachdem sich die Erkranktenzahlen in den letzten drei Wochen knapp verhundertfacht (!!) haben, werden die USA, mit dem dort kaum gebremsten Epidemieverlauf, in ihrer Gesamtheit einen Blutmai erleben. Die USA könnten bereits Mitte Mai mit mehreren hunderttausend Toten und vermutlich sogar mehr als 10 Millionen Infizierten da stehen, und insbesondere gegenüber Trump und seinem "Krisenmanagement" wird die Stimmung umschlagen und sich dort zunehmend ein Furor erheben, durchaus auch eingedenk des Umstandes, dass sich die Dinge in Europa, z.B. auch in Old Germany bis dahin deutlich besser entwickelt haben werden.

Im Vergleich. Besser heißt hier noch lange nicht gut, sondern einfach nur weniger katastrophal. Und alle, die irgendwie, bis zu einem gewissen Grad "Marxisten" sind, vulgär oder etwas Salon-orientierter, werden sich auf diese Entwicklungen ihren Reim machen.

Das werden dann auch Historiker tun. Zwangsweise. Denn an dieser Geschichte und ihren Geschichten wird kaum jemand vorbei kommen. Nicht einmal die Finanzanalysten, die zur Zeit fast unisono das sofortige Ende des Containments verlangen, werden an Langeweile umkommen.

Was zum Beispiel geschieht mit einem digitalen Werbe-Monopolisten wie Alphabet Inc, das im Moment noch über 1.000 Euro pro Aktie notiert? Denn die Werbeeinnahmen brechen nicht nur für die Verlagshäuser ein, nicht nur für Spiegel Online, die Zeit, die TAZ, den Tagesspiegel und die Süddeutsche Zeitung.

Sogar rechtsdrehende Bettel-Magazine wie "Tichys Einblick" werden Probleme bekommen. Auch Leute wie Sellner werden sparen müssen, nicht nur an den Weltreisen, die sie bislang spendengeld-finanziert für beinahe ihre gesamte Hood finanziert haben.

Es wird sich Vieles ändern. Sehr vieles sogar. Und obwohl die Gebäude und Paläste in diesem Krieg unversehrt blieben, wird unser Land nach diesem Krieg ein anderes sein. Ich garantiere aber, das eine Sache völlig unverändert bleiben wird, etwas, an dem sich viele aufzurichten versuchen, und jede Gruppe auf die jeweils eigene Weise:

Unsere Ressentiments

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